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18.02.2024: Bundesweite COA-Aktionswoche für Kinder aus suchtbelasteten Familien 18.-24.02.2024 #WIRSINDMILLIONEN

Fast jedes sechste Kind in Deutschland kommt aus einer Suchtfamilie. Kinder suchtkranker Eltern (Children of Addicts = COAs) sind die größte bekannte Sucht-Risikogruppe.  Schätzungsweise 2,65 Millionen Kinder haben alkoholkranken Eltern, 40.000 bis 60.000 Kinder haben Eltern, die von illegalen Suchtmitteln abhängig sind. Ihr Risiko, als Erwachsene selbst suchtkrank zu werden, ist im Vergleich zu Kindern aus nichtsüchtigen Familien bis zu sechsfach erhöht. Etwa ein Drittel dieser Kinder wird im Erwachsenenalter alkohol-, drogen- oder medikamentenabhängig. Ein Drittel entwickelt psychische oder soziale Störungen (teilweise überlappend mit dem ersten Drittel) - und ein Drittel kommt mehr oder weniger unbeschadet davon.

Darauf macht die bundesweite COA-Aktionswoche, die heute  unter dem Motto #wirsindmillionen startet und bis zum 24.2.2024 dauert, aufmerksam. Aus diesem Anlass sprach Beatrice Brinninger, Systemische Therapeutin und Mitarbeiterin von Prop e.V. mit dem Klienten Herrn B (Name geändert), der bei Prop e.V. im Rahmen des Betreuten Wohnens (BEW) ist.

Interview mit einem betroffenen Klienten: „Irgendwann habe ich mitgetrunken …“

 

Brinninger: Herr B, wie war Ihr Weg in die Abhängigkeit?

Herr B: Über meinen Vater. Er ging jedes Wochenende zum Frühschoppen zum Kartenspielen und ich habe ihn begleitet. Irgendwann - mit ca. 17 - habe ich mitgetrunken. Auch in der Arbeit mit Arbeitskollegen habe ich zusammen getrunken

Brinninger: Sie haben einen suchtkranken Vater. Wie haben Sie das als Kind wahrgenommen?

Herr B: Mein Vater hat getrunken, meine Mutter nicht. Es gab sehr oft Streitereien. Mit ca. 8 Jahren wurde es immer öfter. Die Mama hat ihn der Wohnung verwiesen, mit Hilfe eines Einsatzes der Polizei.

Brinninger: Was hat das für die Familie bedeutet?

Herr B: Trennung als ich 13 Jahre war. Zerrissenheit der Familie: Ich habe mehr zu meinem Papa gehalten, war sein Liebling, mein Bruder mehr zu meiner Mama. Der Zusammenhalt in der Familie war nicht mehr so gut, auch unter uns Dreien gab es Streit. Meine Mama hat noch mehr arbeiten müssen. Wir waren sehr arm, dadurch war sie auch reizbarer.

Brinninger: Herr B, kennen Sie Fragen wie: „Bin ich schuld, dass meine Mutter oder mein Vater zu viel trinkt?“

Herr B: Nein, kenne ich nicht.

Brinninger: Oder „Ist meinen Eltern der Alkohol/die Droge wichtiger als ich?“

Herr B: Alkohol ja auf jeden Fall! Ich habe ihn nur beim Wirt treffen können. Trotz der massiven körperlichen Folgen des Alkohols hat er weitergetrunken. Er ist mit 54 Jahren gestorben.

Brinninger: Was hätten Sie sich als Kind gewünscht oder wünschen Sie sich jetzt?

Herr B: Harmonie in der Familie. Ich bin inzwischen älter als mein Papa. Seit zirka einem halben Jahr verstehe ich mich mit meinem Bruder und meiner Mutter wieder besser. An Feiertagen besuche ich sie inzwischen wieder, fahre mit meinem Fahrrad zu ihr. Die Besuche verlaufen harmonischer.

Brinninger: Was war für Sie im Nachhinein eine wichtige Erkenntnis, die heute noch von Bedeutung ist – also Ihr Benefit aus der ganzen Geschichte?

Herr B: Durch mein Trinken habe ich viel verloren: Die Arbeit – Freunde – Existenz- (das war ein Scheiß).

Brinninger: Was hilft Ihnen heute stabil zu bleiben?

Herr B: Ablenkung, Radlfahren, Radlreparieren, umbauen, in die  KOB gehen (Anmerkung Prop e.V: Abkürzung für Kontakt- und Begegnungsstätte), zum Yoga in die Courage, überlege viel, wie kann ich günstig leben, gehe zum Beispiel in die Wärmestube zum Essen oder zu KOB wegen der sozialen Kontakte, um nicht alleine zu essen und mir das Geld zu sparen.

Brinninger: Danke, Herr B, das war es schon!

Mit der kommenden Aktionswoche wollen wir den Kindern, Jugendlichen und erwachsenen Kindern aus suchtbelasteten Familien zurufen: „Ihr seid nicht allein. Wir sind Millionen!